Denkwürdige Pressekonferenz beim FC Schalke 04 Reporter-Solo mit Kreutzer vor Spiel gegen Hertha

Einziger Reporter vor Ort: Schalke-Reporter Norbert Neubaum bei der Pressekonferenz des FC Schalke 04 zum Spiel gegen Hertha BSC.
Einziger Reporter vor Ort: Schalke-Reporter Norbert Neubaum bei der Pressekonferenz des FC Schalke 04 zum Spiel gegen Hertha BSC. © Klaus Wieschus
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Freitag, 14 Uhr: Der Presseraum in der Gelsenkirchener Veltins-Arena ist hergerichtet wie immer. Und doch ist es eine denkwürdige, eine einzigartige Pressekonferenz, die da vor den Kameras des Vereins und weniger Kameraleute abläuft. Vorn sitzen Pia Lisa Kienel, Pressesprecherin / Leiterin Sportkommunikation des FC Schalke 04 und Interims-Trainer Matthias Kreutzer. So selten die beiden als Duo dort sitzen: Noch seltener kommt vor, dass nur ein Journalist im Auditorium sitzt, um Fragen zu stellen.

Es ist Norbert Neubaum, Schalke-Reporter für unser Medienhaus, seit Jahrzehnten regelmäßig bei diesen Spieltag-PKs zugegen und Dauer-Beobachter so gut wie aller öffentlichen Trainingseinheiten und (Heim-)Spiele sowieso. Er sitzt in der dritten Reihe auf einem der rund 50 Stühle, die immer dort stehen. Die selten bis nie komplett besetzt sind. Aber so leer?

Schalke 04 streamt die PK wie immer ins Netz. Bei YouTube haben bis zum Abend 30.000 Leute zugesehen, wie die drei elf Minuten lang über die sportliche (und mentale) Lage auf Schalke sprechen. Am Ende ist es ein Zwiegespräch, wie ein Interview: Neubaum stellt die Fragen, Kreutzer antwortet, zum Teil auch recht persönlich über seine eigene Zukunft. Und Pia Lisa Kienel? Die Pressesprecherin macht das, was sie sonst auch tut: Sie nimmt den nächsten Frager dran. Und es ist jedes Mal: Norbert Neubaum. Im Netz wird er hinterher gefeiert. Wir geben das Gespräch hier im Wortlaut wieder:

Pia Lisa Kienel: Hallo und herzlich willkommen zu unserer Pressekonferenz vor unserem Heimspiel gegen Hertha BSC Sonntag in der Veltins-Arena. Neben mir begrüße ich Matthias Kreutzer und dann starten wir mit der Fragerunde. Es beginnt Norbert Neubaum für das Medienhaus Bauer und die Recklinghäuser Zeitung.

Norbert Neubaum: Ja, wenn kein anderer möchte, dann starte ich. Herr Kreutzer, vielleicht zum Warmwerden die Personalien. Wie sieht es aus? Ralf Fährmann beispielsweise war am Mittwochnachmittag nicht beim Mannschaftstraining, während er am Dienstag ja noch das volle Programm mitgemacht hat.

Matthias Kreutzer: Also vorab auch ein herzliches Glückauf auch von mir. Zur Personalsituation: (…) Sowohl der Ralle als auch der Danny befinden sich gerade in der progressiven Aufbelastung. Das heißt, wir müssen immer wieder schauen, wie schmerztolerant sind sie, die Belastung weiter zu steigern? Und bei Ralle war es so ganz konkret, dass er am Dienstag trainiert hat und dann was gespürt hat. Und deswegen war er am Mittwoch dann auch nicht mehr dabei.

PLK: Norbert Neubaum nochmal.

NN: Das heißt bei Ralf Fährmann: Für Sonntag ist er im Kader oder nicht?

MK: Nein, nein, er wird nicht im Kader sein können. Leider.

NN: Ja, dann mache ich direkt mal weiter. Sie hatten jetzt ein paar Tage mehr Zeit für das Spiel, die Mannschaft vorzubereiten. Vor dem Spiel in Paderborn waren es ja im Grunde nur zwei Tage. Was waren jetzt die Trainingsschwerpunkte in dieser Woche? Worauf haben Sie besonders hingearbeitet? Worauf haben Sie besonders geachtet?

MK: Also grundsätzlich war es natürlich so, dass wir nach dem Spiel in Paderborn alle nicht zufrieden waren und am Samstag uns auch ehrlich und offen die Meinung gegeigt haben. Also das war meines Erachtens sehr konstruktiv. Es kam was von der Mannschaft, das war extremst gut. Ich habe das als extremst energiereich empfunden und es gilt halt einfach an diesen Dingen weiter aufzubauen, was wir letzte Woche schon thematisiert haben, aber vor allem natürlich auch die Defensive zu stabilisieren. Weil das wird natürlich das Ziel sein, dass wir nicht jedes Mal drei Gegentore bekommen. So viele Tore können wir gar nicht schießen.

Norbert Neubaum im Presseraum der Veltins-Arena: Er war der einzige Journalist, der Fragen stellte - weil er praktisch der einzige (schreibende) Reporter im Raum war. Vor ihm: Pia Lisa Kienel (Leiterin Sportkommunikation) und Interims-Cheftrainer Matthias Kreutzer.
Norbert Neubaum im Presseraum der Veltins-Arena: Er war der einzige Journalist, der Fragen stellte – weil er praktisch der einzige (schreibende) Reporter im Raum war. Vor ihm: Pia Lisa Kienel (Leiterin Sportkommunikation) und Interims-Cheftrainer Matthias Kreutzer.© Facebook / Königsblau

PLK: Norbert Neubaum noch mal.

NN: Sie haben die Defensive angesprochen. Jetzt war ja zu hören unter Thomas Reis, dass sich die Spieler jetzt gar nicht mal unbedingt nur auf die Defensive bezogen, dass sich manche Spieler in der Taktik nicht 100-prozentig wohlgefühlt haben und möglicherweise von daher nicht ihre besten Leistungen bringen konnten. Kann man sich möglicherweise für Sonntag auf taktische Veränderungen einstellen? Ich sage mal als Beispiel Dreierkette vielleicht, keine Ahnung. Ist da irgendwas anderes geplant als bisher?

MK: Also grundsätzlich möchte ich einfach nichts ausschließen. Aber um auf Ihren Punkt zurückzukommen, dass Spieler sich nicht wohlfühlen oder nicht wohlfühlen: Es wird immer wieder was geben. Dafür sind es halt einfach zu viele Leute, zu viele Spieler. Dem einen gefällt das, dem anderen gefällt das nicht. Aber für mich ist das alles Entscheidende, dass wir alle in dieselbe Richtung gehen und das halt einfach zusammen.


NN: Ja, dann mache ich noch mal weiter. Simon Terodde war jetzt auch wieder im Training, hat, sofern ich das beobachten konnte, auch sofort voll wieder mitgemischt. Ist er auch direkt wieder ein Kandidat für die Startelf? Und genauso die Frage nach Kenan Karaman, der in Paderborn schon wieder eingewechselt wurde.

MK: Ja, also Kenan, wie Sie sagten, war schon in Paderborn dabei. Mit Simon hatte ich vor Paderborn ein Gespräch geführt, weil Simon natürlich einfach total ehrgeizig ist, total wichtig für die Mannschaft, unser Kapitän. Wir haben da aus rationalen Gründen einfach abgewogen haben, dass es noch keinen Sinn macht. Aber er hat ab Samstag das Training voll mitgemacht und hat auch die Woche komplett durchführen können ohne Probleme. Ganz im Gegenteil, das sah sehr gut aus und ich habe das Gefühl, dass Simon das auch so spürt und die Energie halt einfach auch wieder frei wird. Also somit definitiv ist er ein Kandidat wie alle anderen, die natürlich auch im Training komplett dabei sind.

PLK: Norbert Neubaum für das Medienhaus Bauer.

NN: Jetzt sind sie seit anderthalb Wochen Interims-Cheftrainer. Es war viel zu lesen und zu hören, dass (…) die Mannschaft, dass die Kabine gespalten sei, dass gerade jetzt im Zuge der Trennung von Thomas Reis, dass diese Spaltungen zum Teil offen zutage getreten sind. Wie haben Sie die Mannschaft erlebt? Erleben Sie eine gespaltene Kabine? Erleben Sie eine geschlossene Mannschaft? Es wäre ja sogar nachzuvollziehen, wenn aufgrund der aktuellen Situation da auch unter den Spielern eine große Unzufriedenheit herrscht.

MK: Also vorab: Ich erlebe die Mannschaft als absolut geschlossen. Und das hat mir vor allem auch das Gespräch, die Analyse am Samstag nach dem Paderborn-Spiel gezeigt, weil das war wie gesagt offen und ehrlich. (…) Und alles das, was auch in dieser Woche stattgefunden hat auf dem Trainingsplatz und das, was wir absolviert haben, haben wir alle gemeinsam gemacht. Und ich kann nicht von Grüppchen reden, sondern ich kann nur von einer Gruppe reden. Und das sind wir alle. Und dazu zählt die Mannschaft, der Staff und auch das Trainerteam.

Matthias Kreutzer: Video-Analyst. Co-Trainer, jetzt in der Rolle als Cheftrainer erneut in der Verantwortung.
Matthias Kreutzer: Video-Analyst. Co-Trainer, jetzt in der Rolle als Cheftrainer erneut in der Verantwortung.© Dennis Ewert/RHR-FOTO

PLK: Norbert Neubaum.

NN: Sie hatten vor dem Paderborn-Spiel volle Energie von der Mannschaft, von den Spielern gefordert. Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich jetzt nicht volle Energie gesehen in dem Spiel. Das kann zumindest nicht die volle Energie gewesen sein. Gibt es denn dann bei so einer Analyse eine Erklärung dafür, wie so ein Auftritt zustande kam? Gibt es da irgendeinen konkreten Grund vielleicht, dass man sagt: So, daran hat es gelegen, und das machen wir beim nächsten Mal besser?

MK: Ja, das gibt es. Und zwar habe ich das gefordert und das bleibt auch bestehen, weil das meine Überzeugung ist, dass das auch nur der Schlüssel sein wird im Spiel jetzt am Sonntag gegen Hertha. Wenn man das Spiel von Paderborn noch mal Revue passieren lässt und selber noch mal betrachtet und ich habe das getan, dann sieht man, dass wir die ersten 10, 15 Minuten im Spiel waren. Wir waren diejenigen, die hohe Balleroberung hatten. Wir waren diejenigen, die auch die Aktionen auf das Tor hatten. Wir waren das. Aber mit der Aktion, dass Paderborn dann diesen Lattentreffer hatte, war das Gefühl, als ob man uns einfach den Stecker gezogen hat. Wir waren dann so energielos, wie es gewirkt hat. Nicht mehr mutig das gemacht haben, was wir im Vorfeld gemacht haben. Das ist genau der Punkt: dass wir das akzeptieren müssen, auch im Spiel, denn es wird Möglichkeiten geben, aber dass wir trotzdem mutig und mit voller Überzeugung, mit voller Freude einfach weiter spielen.

PLK: Norbert Neubaum fürs Medienhaus Bauer.

NN: Sie haben den Lattentreffer angesprochen und die Reaktion. Sie haben aber ja auch sehr viele Routiniers in der Mannschaft. Die haben ja schon Lattentreffer zuhauf kassiert und auch Rückschläge während des Spiels und müssten eigentlich wissen, wie man dann damit umzugehen hat. Sind gerade die Spieler nicht dann auch besonders gefordert in solchen Situationen?

MK: Es sind alle gefordert, aber die, die die Situation vielleicht schon mitgemacht haben, mehr. Klar, die sind mehr in der Pflicht, das Ganze zu bewältigen, weil das der Anspruch von uns allen ist. Aber noch mal: Ich zähle da die komplette Mannschaft, und dazu gehört jeder einzelne, weil die Spieler, die einzelnen Spieler können es auch nicht schaffen, sondern wir schaffen es wenn dann nur zusammen.

PLK: Norbert noch mal.

NN: Dann eine Frage zum Gegner: Hertha BSC Berlin ist auch… Hertha BSC, wie es ja richtig heißt, ist auch nicht besonders gut aus den Startlöchern gekommen. Was erwarten Sie hier für eine Mannschaft am Sonntag?

MK: Das stimmt, was Sie sagen. Jetzt aber nach der Länderspiel-Pause, es sind drei Spiele gespielt, haben sie zwei Siege. Jetzt zuletzt das Spiel gegen Pauli haben sie verloren. Es ist eine wahnsinnig arbeitende Mannschaft, die sehr intensiv Fußball spielt. Und genau das werde ich halt einfach auch erwarten von unseren Spielern, wenn wir das Spiel spielen. Und Hertha BSC, was zeichnet sie noch aus? Sie haben auch viele informative Situationen, die wiedererkennbar sind. Ich möchte da Fabi Reese thematisieren, der das Dribbling hat, der die Flanken hat. Die haben einen klaren Zielspieler mit Tabakovic vorne. Und darauf müssen wir uns einstellen: Hertha wird das, was sie in den letzten drei Spielen gezeigt haben, auch bei uns natürlich versuchen wollen. Aber es wird sehr intensiv und es wird Fußball gearbeitet.

NN: Zu Ihnen persönlich. Am Sonntag schließt sich ja für Sie im Grunde so ein bisschen der Kreis. Sie hatten ja auch in der vergangenen Saison Ihr Interims-Spiel gegen Hertha BSC in Berlin. Wie geht es Ihnen jetzt persönlich? Sind Sie ganz froh, dass es jetzt im Grunde vorbei ist oder vorbeigeht? Wir wissen ja, dass Sie nicht unbedingt in diese erste Reihe wollen. Oder leckt man in so einer Woche vielleicht sogar so ein bisschen Blut und sagt: „Ach Mensch, vielleicht wäre die Perspektive, mal irgendwo als Cheftrainer zu arbeiten, ja doch was für mich.“

MK: Für mich ist der Augenblick, dass ich gar keine großartige Zeit habe, jetzt halt wirklich an nächste Woche oder so zu denken, weil die Zeit war so intensiv und so fordernd für mich. Und das ist die Absprache. Und ich versuche wie gesagt jeden Tag meine volle Energie und meine Überzeugung da reinzubringen in diese Dinge, die ich halt beeinflussen kann. Und bezüglich der Situation des Cheftrainers: Also sonst würde ich jetzt hier auch nicht sitzen. Ich renne nicht weg. Ich stelle mich jeglicher Verantwortung, auch der Pflicht, die ich natürlich habe. Aber es hat halt einfach persönliche Gründe, die ich da in den Vordergrund rücke, ob ich das mit dem Posten des Cheftrainers machen möchte oder nicht. Das hat weder was mit Schalke oder irgendetwas zu tun.

PLK: Gibt es weitere Fragen?

NN: Von mir nicht. Vielleicht hat ja einer der Kollegen doch eine Frage.

PLK: Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann verabschieden wir uns an dieser Stelle, bedanken uns bei euch und freuen uns, den einen oder anderen am Sonntag hier vor ausverkauftem Haus wiedersehen zu können. Danke schön.

Norbert Neubaum wird hinterher gefeiert, aber der FC Schalke 04 auch schwer angegriffen: Im Internet kursieren Memes über die Standhaftigkeit des Fragenstellers und die Beharrlichkeit, trotz der aktuellen Lage in Schalkes Führungsstab und der Erfahrungen in anderen PKs. Von Worthülsen und Unehrlichkeiten ist die Rede.

„Wenn unsere Spieler nur 1 Prozent soviel malochen würden wie Norbert Neubaum gerade auf der PK“, schreibt DonBordon auf X (vormals Twitter), „dann würden wir uns auf Spiele gegen Mailand und Madrid vorbereiten und nicht Elversberg oder Wiesbaden.“ Als eine PK-Legende wird der Schalke-Reporter bezeichnet. Eine andere Zuschauerin schreibt auf Facebook: „Schalke interessiert offenbar keine Sau mehr.“

Sonntag gegen Hertha meldet Schalke 04: ausverkaufte Arena.

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