Deutsche Stärken, deutsche Schwächen

Scheitern als Chance: Was Deutschland von KT Guttenberg lernen kann

Alexander Jungkunz

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3.11.2023, 11:00 Uhr
Karl-Theodor zu Guttenberg zeigt sich als nachdenklicher, durchaus geläuterter Mensch.

© Sebastian Gollnow/dpa, NNZ Karl-Theodor zu Guttenberg zeigt sich als nachdenklicher, durchaus geläuterter Mensch.

Ein langes Interview mit Karl-Theodor zu Guttenberg? Dem Mann, der in seiner Doktorarbeit abgeschrieben und das lange geleugnet hat? Muss man ihm wirklich Raum bieten?

So dürften manche denken, wenn sie unser Gespräch mit dem ehemaligen Shooting-Star der CSU sehen. Wer da die Nase rümpft - bitte erst die Antworten lesen. Da nämlich zeigt sich ein sehr nachdenklicher, durchaus geläuterter Mensch, der seine eigenen Schwächen offenbar erkannt hat - und einen nachdenklichen Blick auf uns Deutsche wirft. Klar: Guttenberg zählt da auch dazu, aber er ist viel unterwegs und sieht daher manche Schwächen und auch Stärken genauer.

Auf Guttenbergs Absturz folgte gnadenlose Häme

Guttenberg hat selbst erfahren, wie viele gerade hierzulande reagieren, wenn jemand scheitert oder gar abstürzt. Er wurde erst gehypt, schon als möglicher Kanzler gesehen - und erlebte dann, wie schnell so ein Höhenflug zu Ende gehen kann. Das war seine eigene Schuld, ja. Und sein Aus wurde begleitet von viel Häme. Scheitern gilt bei uns als Makel: Der hat es nicht geschafft. Dass da jemand zunächst einmal ein Wagnis - etwa eine Unternehmensgründung oder die Selbstständigkeit - riskiert hat, das zählt in Deutschland weniger als etwa in den USA. Dort gehört Scheitern auch zum Alltag, es wird eher positiv bewertet: Auf geht's, neuer Versuch, aus den Fehlern lernen!

Widerspricht jemand, wenn (nicht nur) Guttenberg uns Deutschen eine überdurchschnittliche Muffligkeit bescheinigt? Viele zeigen ihre schlechte Laune und/oder ihr Desinteresse an ihren Mitmenschen überdeutlich. Manche sind da von einem Lächeln oder freundlichen Gruß fast schon beleidigt, bei anderen aber können solche ganz einfachen Gesten kleine Wunder wirken.

Politisch brisant und folgenreich ist eine andere Beobachtung: Wir neigen momentan dazu, Deutschland schlecht zu reden - schlechter als es ist. Lange klopften wir uns gern selbst auf die Schulter und genossen unseren Status als Primus in vielen Bereichen, blickten überheblich auf andere. Das war ebenso übertrieben wie es das aktuelle Standort-Bashing ist, wir - auch wir Medien - neigen da zu Extremen. Wer objektiv vergleicht, sieht das Land jedoch keineswegs vor dem gern behaupteten Total-Absturz.

Versäumtes ist nachholbar

Deutschland hat Schwächen, es fällt seit einiger Zeit im Vergleich zu anderen Staaten zurück, weil viel an Reformen und auch an Investitionen in die Infrastruktur liegengeblieben ist in den vergangenen Jahrzehnten. Würde die Politik da entschiedener gegensteuern, wäre da rasch viel aufzuholen - allein das Signal für so einen Aufbruch wäre psychologisch kaum zu unterschätzen.

Da geschieht zu wenig, das kann und muss man kritisieren. Und dann versuchen, an den Mängeln und Schwachstellen zu arbeiten - konstruktiv. Aus Fehlern und aus Scheitern lernen ist allemal besser als bloßes Jammern: Es ist gut, wenn uns Guttenberg und andere daran erinnern.

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