Geerntete Weißkrautköpfe vor einem Krautacker
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Weißkraut aus Unterpleichfeld

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Ernte in Unterpleichfeld: Die Kraut-Hochburg lebt noch

Die Weißkrauternte läuft: die Erträge sind zufriedenstellend, Sorgen bereitet der schwindende Absatzmarkt. Dazu kommen der Wassermangel und trockene Hitze. Die Familien Wild halten dem Gemüse in der einstigen Krauthochburg Unterpleichfeld die Treue.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Das laute Knacken klingt nach Frische. Lothar Wild kniet vor einem Weißkrautkopf und bricht die verwitterten, abstehenden äußeren Blätter ab. Nach ein paar gezielten Hieben mit einer Art Machete kommt eine zartgrüne Perle zum Vorschein – ein Handball-großer, etwa zwei Kilo schwerer Weißkrautkopf.

Verregneter August war die Rettung für das Kraut

Das Kraut ist reif, seit ein paar Wochen läuft die Ernte. Bisher will sich Lothar Wild nicht beschweren. Mit Gummistiefeln steht er im matschigen Acker. Es ist ein kühler Herbsttag, immer wieder regnet es. "Krautwetter" nennt es Lothar Wild – ideale Bedingungen. Vor allem die trockenen und heißen Sommernächte hätten dem Kohlgemüse nicht gut getan, der Regen im August sei aber zur rechten Zeit gekommen. Jetzt komme es darauf an, dass es nicht reinfriert. Temperaturen unter minus vier Grad schaden der Haltbarkeit, so Wild. Und genau die ist wichtig: nach der Ernte kommt das Kraut ins dunkle Kühlhaus, von wo es nach und nach weiterverarbeitet oder verschickt wird. Mehrere Monate hält das Kraut problemlos aus.

Ende der Kraut-Ära

Vor nicht allzu langer Zeit herrschte von Oktober bis in den November Hochbetrieb auf den flachen weiten Feldern um Unterpleichfeld bei Würzburg. 30 Betriebe bauten im großen Stil Industriekraut an, denn die Bedingungen sind hier ideal: nährstoffreiche Böden mit gutem Wasserhaltevermögen. Dazu gab es im Ort drei Sauerkrautfabriken. 2019 hat mit der "Unterpleichfelder Sauerkrautfabrik Wilhelm Bötsch oHG" die letzte geschlossen, von den Krautbauern sind noch zwei übrig. "Wenn der Absatz fehlt," seufzt Lothar Wild, "ist das gestorben!" Nicht nur in Unterpleichfeld geht der Weißkrautanbau zurück: Während in Bayern und Unterfranken der Anbau für Industriegemüse stetig steigt, schrumpft der Weißkohlanteil. Das belegen die Zahlen des Bayerischen Landesamtes für Statistik: Waren es im Jahr 2004 in Unterfranken noch 144 Hektar, standen bei der letzten Erhebung im Jahr 2020 nur noch 86 Hektar zu Buche.

Frühe Umstellung auf Bio

Das Ende der Sauerkrautfabriken in Unterpleichfeld war nicht das Ende des Krautanbaus für Lothar Wild und seine Familie. Neben Weißkraut bauen sie auch weiteres Gemüse an und halten Schweine. Schon 1997 hatten sie sich für den Umstieg auf biologische Landwirtschaft entschieden. Keine einfache Pionierarbeit, wie sich Lothars Frau Anita Wild erinnert. Es wurde viel geredet und geunkt im Ort, aber sie sind ihrer Überzeugung treu geblieben. Heute vermarktet der "Demeter"-zertifizierte Hof sein Kraut selbst, arbeitet aber auch mit dem Lebensmitteleinzelhändler "tegut" zusammen.

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Schnelles Sauerkraut im Einmachglas

Schnelles Sauerkraut, Vitamin C-Bombe im Glas

Sauerkraut gibt es aus und in Unterpleichfeld also auch noch ohne Fabriken. Anita Wild empfiehlt eine schnelle Variante, die jeder und jede zuhause nachmachen kann, die keinen Gärtopf haben. Grundlage ist gehobeltes Kraut, das eingesalzen (50g Salz auf 4 kg Kraut) und per Hand geknetet wird, bis der Saft austritt. Das drückt sie fest in ein Einmachglas. Ist es halb gefüllt, kommen ein, zwei Lorbeerblätter und vier bis fünf Wacholderbeeren dazu. Dann wird das Glas mit Kraut aufgefüllt, immer fest angedrückt. Obendrauf legt Anita Wild ein Weißkohlblatt, damit das Kraut sich nicht braun verfärbt. Dann einen Einmachgummi und den Deckel auflegen, aber nicht verschließen. An einem warmen Ort muss das Kraut im Glas nun fünf Tage lang fermentieren, bevor der Deckel mit einer Klammer verschlossen wird. Dunkel, im Keller gelagert, ist das Sauerkraut bis zu einem Jahr haltbar.

Im Gegensatz zur Industrie blanchiert Anita Wild weder den frischen Kohl, noch pasteurisiert sie das fertige Sauerkraut – dadurch ist es bekömmlicher, sagt sie. Das Kraut gärt im Glas und es bilden sich Milchsäurebakterien, die wichtig für die Darmflora sind. Die Vitamine, vor allem Vitamin C, bleiben erhalten, gleichzeitig ist es kalorienarm. Ein regionaler Energielieferant im kargen Winter.

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Krautschneider, Baujahr 1958

Sauerkraut wie früher

Ein paar Häuser weiter scheint es, als ob die Zeit zurückgedreht worden ist. In einer ehemaligen Sauerkrautfabrik machen Wolfgang Wild, der Cousin von Lothar Wild, und seine Familie Kraut ein – wie schon vor 50 Jahren. Die Krautköpfe werden vom Hänger auf ein Förderband auf den Scheunenboden gegabelt. Dort steht die elektrische Krautschneidemaschine, Baujahr 1958. Ein Bohrer an einem Seitenarm entfernt den holzigen Strunk, dann wird der Kopf von einem großen runden Hobelmesser feingeschnitten. Durch ein Loch fällt das Kraut in ein etwa drei Meter tiefes Silo, den Krautbottich. Darin stampfen Wolfgang Wild und vier Helfer mit Gummistiefeln auf dem Kraut herum. Immer wieder wird eine Mischung aus Salz, Kümmel, Wacholderbeeren und Lorbeer ausgestreut. Ab und zu kommen Leute vorbei, die ein paar Säcke frisches Kraut mitnehmen. Das meiste der 2,5 Tonnen wird aber gepresst und dann acht Wochen eingelagert. Ende Dezember wird das Kraut ab Hof verkauft.

"Schlanke Linie, reine Haut – nur durch Pläffeld Sauerkraut"

"Schlanke Linie, reine Haut – nur durch Pläffeld Sauerkraut" war ein prägnanter Slogan der Krauthochburg Unterpleichfeld in Würzburg. Die Familien Wild tragen dazu bei, dass er nicht gänzlich in Vergessenheit gerät. Martin Wild, der Sohn von Wolfgang, ist gern dabei, wenn das Kraut einmal im Jahr wie früher und mit der alten Maschine eingeschnitten und -gestampft wird. Für ihn sei das weniger Arbeit, viel mehr eine Form der Brauchtumspflege.

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Kraut wird eingestampft

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